Reifen für E-Fahrzeuge: «Sicherheitsrelevante Kriterien sind nicht verhandelbar»

Boxenstopp mit Continental

Reifen für E-Fahrzeuge: «Sicherheitsrelevante Kriterien sind nicht verhandelbar»

24. Februar 2022 agvs-upsa.ch – Reifen sind runde Hightech-Produkte, die gerne unterschätzt werden. Davon ist der Continental-Experte in der Reifenentwicklung, Andreas Schlenke, sowie sein Kollege, Pressesprecher Klaus Engelhart, überzeugt. Wer glaubt, dass sich Reifen von E-Fahrzeugen in der Entwicklung fundamental von jenen der Verbrennern unterscheiden, der irrt sich.

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So sieht das autonome Reifentestfahrzeug Ava in der automatischen, wetterunabhängigen Bremstestanlage Aiba aus.
Fotos: Continental


cym. Herr Schlenke, Continental legt für die Reifentests 160 Millionen Kilometer pro Jahr zurück. Das sind 4000 Erdumrundungen. Haben die Entwicklungen der Reifen für E-Mobilität diese Zahl nochmals in die Höhe schnellen lassen?

Andreas Schlenke, Reifenexperte bei Continental: Obwohl die Zukunft in Richtung Elektromobilität zeigt, ändert sich an der Teststrategie, dem Aufwand, den Überlegungen sowie dem Ablauf nicht viel. Das Material, die Trends und die Kriterien für Reifentests von E-Fahrzeugen bleiben dieselben. Zu den Trends gehören etwa eine hohe Laufleistung, ein minimaler Verschleiss oder ein geringer Rollwiderstand. Weitaus grösser war und ist der Einfluss aufgrund der Fortschritte in der Elektronik. Computer übernehmen die ersten Schritte im Testverfahren, weswegen deutlich weniger Prototypen benötigt werden. Erst wenn die Reifen am PC eine gewisse Performance abliefern, werden sie überhaupt hergestellt. Es sind virtuelle Simulationen am Computer, die viele Komponente und Kriterien im ersten Entwicklungsstadium abrufen. Damit spart man das Material und viel Zeit. Gerade in Bezug auf die Simulationen hat sich in den letzten 24 Jahre viel getan. Es sind mehrere Generationen an Technologien, die auch ganz neue Möglichkeiten erlauben.
 
Diverse Zielkonflikte spielen in der Reifenentwicklung eine entscheidende Rolle. Zu nennen sind etwa der niedrige Rollwiderstand versus Sicherheit oder die Geräuschemission versus Rollwiderstand. Was sind die grössten Zielkonflikte?

Andreas Schlenke, Reifenexperte bei Continental: Wichtig ist, dass auf alle Kriterien geachtet wird. Es gilt, bei jedem Reifen die Balance auf möglichst hohem Niveau zu finden. Aber: Sicherheitsrelevante Kriterien sind nicht verhandelbar. Einen grossen Unterschied bei E-Fahrzeugen ist der Reifenabrieb, was unter anderem an der Schwere der Fahrzeuge liegt. Der Verschleiss kann bis zu 40 Prozent höher ausfallen als bei Benzinern, was wiederum zu Laufleistungseinbussen führt. Wobei auch der Reifenabrieb von Fahrzeugtyp und Bereifung abhängig ist.
 
Klaus Engelhart, Pressesprecher Pw-Fahrzeuge: E-Fahrzeuge sind nicht nur schwerer, sie haben auch eine andere Lastverteilung. Zudem benötigen die Reifen für E-Autos einen höheren Luftdruck. Die Momente, die am Rad wirken, sind grösser. Das kann über kurz oder lang insgesamt zu einem höheren Verschleiss führen. Ein niedriger Luftdruck geht zulasten des Verschleisses. Die Frage steht auch im Raum, was Autofahrer machen können, damit die Reifen eine grosse Laufleistung haben: Möglichst auf Schnellstarts verzichten, vorrausschauend fahren, und wenig stark bremsen. Das vorrausschauende Fahren macht gerade bei Elektrofahrzeugen Sinn. Auch ist es empfehlenswert, den Luftdruck und den Zustand der Reifen bei einem regelmässigen Besuch beim Garagisten überprüfen zu lassen. Es lohnt sich immer, auf den Luftdruck zu achten, egal, welches Fahrzeug man fährt. Auch aus Sicherheitsgründen ist dies zu empfehlen. Und vor den Ferien besonders, weil die Räder mit dem vielen Gepäck mehr belastet werden.

Bei der Eliminierung von Geräuschen: Wo legen Sie hier den Schwerpunkt? Geht es darum, den Geräuschpegel im Fahrzeuginnern zu reduzieren oder eher im Aussenbereich, und damit um die äussere Lärmbelastung?

Andreas Schlenke, Reifenexperte bei Continental: Reifenfahrbahngeräusche spielen bei E-Fahrzeugen im Innenraum eine besonders grosse Rolle, weil die Antriebstechnologie so leise ist. Das Produkt «Contisilent» ist hier eine Antwort von Continental. Unter dem Produktenamen ist eine Schaumstoffschicht zu verstehen, die im Innern der Lauffläche am Reifen angebracht ist. Die Insassen von E-Fahrzeugen möchten ein möglichst komfortables Fahrterlebnis und der Schaumstoff limitiert die Geräusche im Innenraum des Autos. Ein aktuelles Beispiel: Das neueste Fahrzeugmodell Kia EV6 hat E-Reifen von Continental mit «Contisilent» drin.

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(links) Mit solchen Rollwiderstandsprüfanlagen testet Continental ihre neuen Reifen. 
(rechts) «Contisilent»: Die Schaumstoffeinlage im Innern der Lauffläche am Reifen limitiert Geräusche im Innenraum der E-Fahrzeuge erheblich.
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