«Schweizer Garagisten sind bestens gerüstet»

KPMG Schweiz

«Schweizer Garagisten sind bestens gerüstet»

21. Februar 2022 agvs-upsa.ch – Führungskräfte aus aller Welt sind sich im Rahmen einer Studie des Beratungsunternehmens KPMG einig: Ein Grossteil der Neuwagenverkäufe wird bis 2030 online erfolgen. Das wird Auswirkungen auf das Autogewerbe haben – die Frage ist bloss, welche. Für Roman Wenk von KPMG Schweiz sind verschiedene Szenarien möglich. 

«Schweizer Zulieferer fit – aber Garagen sterben» titelte der «Sonntags Blick» in seiner Ausgabe vom 13. Februar über die Resultate einer Studie, die das internationale Beratungsunternehmen KPMG bei 1118 Führungskräften aus der Automobil- und Mobilitätsindustrie erhoben hat. Zentrale Aussage: In Zukunft wird ein grosser Teil der Autoverkäufe online erfolgen. Für den «SonntagsBlick» besteht die Konsequenz allein darin, dass «Garagen sterben». Das mag mit einer journalistischen Verkürzung zwecks Effekt zu tun haben, aber weniger mit der Realität. Roman Wenk, Sektorleiter Automotive von KPMG Schweiz, sieht verschiedene Szenarien und ist überzeugt, dass die Garagisten in der Schweiz auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
 
Herr Wenk, im Artikel des «SonntagsBlick» ist von einem drohenden «Garagensterben» die Rede. Ist das die Interpretation des Autors oder jene der Studie? Entsprechende Hinweise haben wir in der Studie keine konkreten gefunden.
Roman Wenk: Das ist die Interpretation vom «Sonntags Blick». Aber wie Sie der Studie entnehmen können, sollen gemäss den befragten Führungskräften bis 2030 mindestens 40 Prozent der Neuwagen direkt online von den Herstellern verkauft werden. Dies wird gezwungenermassen Auswirkungen auf die Garagen-Landschaft haben – und zwar global wie auch in der Schweiz. Ich bin mir aber sicher, dass Garagisten in der Schweiz bestens gerüstet sind, diesen Wandel zu antizipieren. 

Der grösste Teil der im Rahmen der KPMG-Studie befragten Führungspersönlichkeiten stammen entweder aus der Automobil-Industrie, aus Tech-Firmen, Mobilitätsprovider oder Startups aus dem Bereich Mobilität. Nur 6 Prozent der Befragten sind tatsächlich unabhängige Händler. Ist es möglich, dass die Mehrheit der Befragten die Zukunft des Handels anders sieht als ein (Schweizer) Garagist?
Die Meinung der unabhängigen Händler deckt sich mit derjenigen der restlichen Befragten: 73 Prozent der unabhängigen Händler sind der Meinung, dass bis 2030 ein grosser Teil der Autokäufe online ohne Händler erfolgen wird. In Westeuropa teilen 57 Prozent der unabhängigen Händler diese Meinung.

Die Erhebung ist geografisch stark verteilt. Kann das dazu führen, dass das traditionell sehr enge Verhältnis zwischen Händler/Garagist in der Schweiz und in Europa im Vergleich zu China oder Indonesien etwas gar stark relativiert wird?
Die regionalen Unterschiede können tatsächlich gross sein und man muss die Situation in jedem Land entsprechend einzeln betrachten. Garagisten in der Schweiz sind bestens gerüstet, diesen Wandel aktiv zu gestalten. Dass Händler und Garagisten in der Schweiz ein enges Verhältnis haben, ist sicher ein Pluspunkt, um zusammen die Transformation zu meistern.

Ist es möglich, dass die (künftige) Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autoindustrie auch durch den Umstand relativiert wird, dass nur ein Viertel der im Rahmen der Erhebung befragten Experten aus Europa stammen? Dass also Vertreter von amerikanischen und chinesischen Hersteller primär sich und weniger ihre europäischen Mitbewerber für fit halten?
In jeder Region herrschen andere Gegebenheiten in Bezug auf die Automobilindustrie vor. Entsprechend konnten wir regionale Unterschiede auch in unserer Studie feststellen. Während sich global 48 Prozent der Befragten als «sehr gut» auf die Zukunft (Disruption und Krise) vorbereitet fühlen, sehen sich 67 Prozent der Unternehmen in Nordamerika als «sehr gut» vorbereitet, in Europa sind es 48 Prozent der Unternehmen und in China 29 Prozent.

Dass der Verkauf von Autos auch in der Zukunft zunimmt, liegt auf der Hand. Die Frage ist vielmehr: Warum soll der Händler/Garagist dabei kaum mehr eine Rolle spielen? Das Agenturmodell funktioniert ja auch nur mit ihm. Und für eine Probefahrt fährt man künftig kaum nach München oder Wolfsburg. 
Die Garagisten in der Schweiz werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, aber die Einkaufsgewohnheiten ändern sich – oder hätten Sie es vor zehn Jahren für möglich gehalten, frische Lebensmittel im Internet auszuwählen und sich liefern zu lassen? Die Erwartung der Führungskräfte, dass über 40 Prozent der Neuwagen bis 2030 ohne Garagisten-Beteiligung verkauft werden, hat auch uns überrascht. Diese Direktverkäufe haben Auswirkungen auf die Situation der Garagisten, wobei verschiedene Szenarien möglich sind. Denkbar sind beispielsweise eine Reduktion der Anzahl Händler, eine Verschiebung vom Händler/Garagist zu Showrooms der Hersteller zum Beispiel für Probefahrten und die Transformation der Händler hin zu Mobilitätsanbietern. Der letzte Punkt könnte gerade für die Händler/Garagisten eine Chance sein, denn unsere Studie zeigt auch, dass die Händler nach den Herstellern am besten für den Auto-Abo-Markt positioniert sind.

Im Interview mit dem «SonntagsBlick» sprechen Sie davon, dass Zulieferer wie Händlernetze in Akquisitionen und Kooperationen investieren müssen. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für den Schweizer Garagisten ganz konkret?
Chancen eröffnen sich beispielsweise im Bereich Online-Sales, Agentur- und Abo-Modelle sowie Showrooms. Hier können Händler Geschäftsmöglichkeiten schaffen, indem sie neue Kompetenzen entwickeln, zum Beispiel in den Bereichen Softwareentwicklung und Datenanalyse. Einige dieser Fähigkeiten können sie selber entwickeln, aber auch Allianzen, Joint Ventures oder Zusammenschlüsse sind eine Möglichkeit, um zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
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